By Thomas Nisters, Executive Director Health Care Practice Golin Deutschland
Die digitale Transformation ist eines der meist diskutierten Themen der Pharmabranche –und In der aktuellen Corona-Pandemie relevanter denn je. Gewohnte Kommunikationskanäle, wie Pressegespräche oder Kongresse, brechen weg – und müssen neu gedacht werden. Dies beschleunigt einen Trend, der Paradigmen verändern wird.
Schon vor Corona wurden mit der elektronischen Patientenakte oder dem Einsatz künstlicher Intelligenz bei Forschung und Diagnostik hohe Erwartungen verknüpft. Die Technologie hat das Potential, die Behandlung und den Therapieerfolg in den nächsten Jahren nachhaltig zu verändern.
In der Kommunikation von Pharmaunternehmen aber steht digital nicht für Transformation, sondern für Disruption. Die Art, wie und auf welchen Kanälen sich Patienten informieren, hat sich innerhalb kürzester Zeit drastisch verändert und wird dies auch in Zukunft tun. Schon heute sind Patienten besser informiert und haben eine veränderte Erwartungs- und Anspruchshandlung. Dementsprechend muss sich auch die Kommunikation rapide anpassen.
Die Konsumerisierung des Patienten
Wie in vielen Industriebereichen sind Patienten auch im Gesundheitsbereich zunehmend besser informiert, befähigt – und fordernd. Viele von Ihnen nutzen bereits eine Bandbreite digitaler Tools und Plattformen, um ihre Gesundheit unter Kontrolle zu behalten. Sie übernehmen immer mehr Verantwortung für ihre Behandlung, wollen aktiv an ihrer Genesung mitarbeiten und informieren sich mehr als je zuvor über ihre Erkrankungen. Vielfach ist von einer Demokratisierung der Gesundheitsinformation die Rede. Schon bei ersten Symptomen wird Google zu Rate gezogen (oder moderner die Diagnose-App Ada), der Arzt dann zur Bestätigung der online Diagnose aufgesucht. Erfahrungsberichte zu verordneten Therapien und behandelnden Ärzten werden auf digitalen Kanälen ausgetauscht. Plattformen bieten Hilfestellungen bei der Suche nach dem geeigneten Arzt. Damit gleicht der Patient heute in seinem Informations- und Entscheidungsverhalten einem Konsumenten mehr denn je. Sein gesellschaftlicher Anspruch hat sich geändert, er erwartet von der Gesundheitsversorgung zunehmend die gleichen Annehmlichkeiten wie bei der Buchung eines Hotels. Und das wird die Pharmakommunikation radikal verändern.
Patientenzentrierung und beyond the pill
Schon lange prägt der Begriff der Patientenzentrierung die Pharmakommunikation. Bereits 2017 gaben 70 Prozent der Befragten in einer Umfrage an, dass Pharmaunternehmen ohne Patientenzentrierung in der Zukunft nicht erfolgreich sein können. Dieser Fokus muss erlebbar werden. Es geht nicht darum, eine Vielzahl von digitalen Kanälen zu schaffen (welche in der Masse von Angeboten möglicherweise untergehen), sondern um Relevanz und die Erschaffung von Erlebnissen. „Beyond the pill“ ist dabei ein Baustein, denn das Produkt (die Medizin) ist meist nur ein, wenn auch zentraler, Teil der Lösung für den Patienten. Dienstleistungen und Unterstützungsangebote mit direktem Mehrwert können dazu beitragen, positive Kundenerlebnisse zu schaffen und gleichzeitig die Persistenz zu erhöhen. Chat-bots, Alexa skills und Apps bieten schon jetzt Unterstützung, kämpfen aber noch um Akzeptanz. Auch was wie eine Banalität klingt wird dennoch häufig übersehen – die verwendete „medizinische“ Sprache ist häufig viel zu komplex für den Adressaten, hier kann ein Angebot in „einfacher Sprache“ einen wesentlichen Unterschied machen.
Die Bereitstellung und Konzeption und Vermittlung solcher Angebote sind für viele Pharmaunternehmen noch ungewohntes Terrain. Es ist die Kernaufgabe der Kommunikation, die Entwicklung von Beginn an zu begleiten und strategisch einzubetten. Auch wenn das Umfeld und die Möglichkeiten stark reguliert sind, kann (nur) durch eine fortschrittliche, patientenzentrierte Kommunikation der Kampf um den Wettbewerb gewonnen werden.
Takeaways:
- Der Patient agiert heute wie ein Konsument. Dem muss in der Kommunikation Rechnung getragen werden, sie muss agiler und dynamischer werden.
- Die Bedürfnisse des Menschen hinter dem Patienten müssen besser verstanden werden, Botschaften und Inhalte müssen für ihn relevant, zum richtigen Zeitpunkt verfügbar und auch verständlich sein.
- Die Nutzung neuer Kommunikationskanäle, gelebte Patientenzentrierung und Dienstleistungen beyond the pill werden für Pharmaunternehmen zum maßgeblichen Differenzierungs- und Bindungsmerkmal.
- Die Disruption durch den digitalen Wandel bietet für die Pharmakommunikation große Chancen – wenn man sie mutig und rechtzeitig genug ergreift. https://www.linkedin.com/pulse/die-digitale-disruption-der-pharmakommunikation-welche-nisters/